By Almuth Spiegler, 13. 04. 2015
Das museale Urvieh unter österreichischen Museumsdirektoren, Peter Noever, kuratierte eine Ausstellung für das Belvedere im prunkvollen Wiener Winterpalais. Die Szene feiert begeistert – 1200 Besucher stürmten die Eröffnung einer Ausstellung, die ohne eine ungewöhnliche Partnerschaft so nicht möglich gewesen wäre.
Es war das Künstlerfest des zugegeben noch jungen Jahres, das Zusammentreffen einer Szene, die sich selten derart generationenübergreifend zeigt. 1200 Leute stürmten die Eröffnung von zwölf großen Interventionen im prunkvollen Innenstadt-Winterpalais des Prinz Eugen.
Geschafft hat das eine ungewöhnliche Verbindung, die in ihrer Großzügigkeit der Wiener Neidgesellschaft der Künste zu denken gibt. Agnes Husslein, die Powerfrau unter den Wiener Museumsdirektorinnen, versteht jedoch nicht nur etwas von Public Private Partnerships. Sie versteht es auch unvergleichlich, kuratorische Synergien zu nutzen. So lädt sie auffällig oft ehemalige Direktoren-Kollegen aus anderen Häusern ein, Ausstellungen zu kuratieren.
Begonnen hat das mit Mumok-Direktor Edelbert Köb, noch zu seiner aktiven Zeit übrigens, was damals etwas seltsam anmutete. Mittlerweile in Pension durfte er letztes Jahr nun schon seine zweite Ausstellung für das Belvedere eröffnen: über Spiegel in der Kunst. Demnächst soll der zurückgetretene Leopold-Museums-Direktor Tobias Natter im Belvedere kuratieren. Uumindest temporär kehrt er damit in seine ehemalige Heimat als Chefkurator zurück. Zurzeit aber ist Peter Noever, geschasster Direktor des Wiener Museums für angewandte Kunst (MAK) dran. Das museale Urvieh unter den Direktoren wird dabei allen Erwartungen gerecht, fast wird man wehmütig, wenn man bei der völlig überrannten Eröffnung hört, wie er seine Lieblings-Phrasen über Kunst, die „radikal“, „unzumutbar“ und „visionär“ sein muss, ins Mikrofon bellt. Herrlich. Fast alles so wie in den 25 Jahren, in denen er die zuvor verschlafene Wiener Zeitgenossen-Museumsszene „radikal“ und „visionär“ internationalisierte.
Den schwierigen Räumen Konter geben
„Unzumutbar“ wurde er allerdings 2011 selber, als er nach einer heftigen Schmutzkübelkampagne der grünen Oppositionspartei erst entlassen, dann vor Gericht wieder entlastet wurde. Trotzdem, es war kein würdiger Abgang. Die Ausstellung „Vienna for Art’s Sake“ im Winterpalais des Prinz Eugen, das zum Belvedere-Museumskomplex gehört, ist sein erster großer öffentlicher Auftritt seit dieser „Affäre“. Und nicht nur die Tonalität ist die alte geblieben, auch die Künstler, die er um sich schart, sind es. Was nicht weiter überrascht, man muss das „Package“ eben kennen, wenn man Noever beauftragt.
Die Liste der zwölf Künstler, die zu Interventionen in dem durchaus schon damals protzigen Barock-Palais geladen wurden, liest sich wie ein ehemaliges Jahresprogramm Noevers im MAK: Zaha Hadid, Eva Schlegel, Manfred Wakolbinger, Magdalena Jetelova, Vito und Maria Elena Acconci, Atelier van Lieshout et cetera engagierten sich hier spürbar intensiv, um den schwierigen Räumen Konter zu geben. Eindrucksvoll gelang das Hans Kupelwieser, der einen der prächtigsten Räume mit einer schlichten Holzhütte derart auskleidete, dass man nur durch die Ritzen den Bauschmuck erahnen kann. Krieg den Palästen, Friede den Hütten! Und das im Repräsentationszentrum eines der größten Kriegsherren seiner Zeit, Prinz Eugen. Als Statement klar und formal gelungen. Ebenfalls stark gelang es der einzigen Newcomerin in dieser Runde, der 1980 in Sofia geborenen Iv Toshain. Sie hängte statt des riesigen Lusters einen riesigen Morgenstern, also eine Kugel mit (sehr) spitzen Spitzen ins Entrée. „Nomos Basileus“ steht in Leuchtschrift auf dem aggressiven Teil, das Gesetz ist der Herrscher, also die Grundlage unserer westlichen Demokratie. Man könnte es aber auch umgekehrt lesen. Und das alles vor der Folie der Herkules-Inszenierung des Feldherrn und Türkenbezwingers Eugen im Erdgeschoss.
Parade der Auftragswerke
Ziemlich unauffällig und zahnlos sind die Interventionen von Zaha Hadid, die geometrisches Liniengewusel beiträgt und Vito Acconci, der die Kapelle mit Luftbläschen-Folie verkleidet. Cool und poetisch dafür das Schattenspiel, das die Architektengruppe „the next enterprise“ mit einem wulstigen Wasserpool aufführt. Es geht rauf und runter in dieser Ausstellung, was die Begeisterung der Szene nicht stoppt.
Lange schon gab es nicht mehr eine derart fulminante Möglichkeit der Präsentation. Was einer Art Kompromiss zu verdanken ist, denn finanziell steckt hinter dieser Parade der Auftragswerke der italienische Mode-Industrielle Luciano Benetton. Noever organisierte für ihn den Österreich-Teil des schrägen Projekts „Imago Mundi“, bei dem Benetton jedes Land der Welt mit einer kleinformatigen Kunstsammlung darstellen möchte. Das heißt, Künstler „dürfen“, um in diesem Archiv vertreten zu sein, Benetton ein Kunstwerk im Format einer Ansichtskarte schenken. Dieses Ansinnen treibt skurrile Blüten, nachzusehen eben gerade in Wien, wo ein ganzes Wäldchen solcher Werklein wie auf Bajonette aufgespießt, präsentiert wird. Dafür zahlte Benetton auch die großen Installation in der Bel Etage. Public Private Compromise. For Vienna’s Sake, muss man in diesem Fall dazu sagen.
Vienna for Art’s Sake!
Termin: bis 31. Mai 2015, Belvedere, Wien. Ausstellungsort: Winterpalais des Prinzen Eugen von Savoye
http://www.belvedere.at